EU ETS – Was ist das European Union Emissions Trading System?

Philipp Niemeier

17.04.2025

Inhaltsverzeichnis

Während mit dem neuen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ab 2026 auch Importe in die EU mit einem CO₂-Preis belegt werden sollen, rückt erneut das Herzstück der europäischen Klimapolitik in den Fokus: das European Union Emissions Trading System (EU ETS).

Das 2005 eingeführte System markierte einen Meilenstein in der europäischen Klimapolitik. Es war das erste grenzüberschreitende Emissionshandelssystem weltweit und fungiert bis heute als Vorreiter für ähnliche Systeme in anderen Regionen der Welt. Neben den 27 EU-Mitgliedstaaten beteiligen sich auch Norwegen, Island und Liechtenstein am EU-Emissionshandel – mit erfolgreicher Wirkung: Seit Beginn des Emissionshandels sind die Treibhausgas-Emissionen in den erfassten Sektoren europaweit um rund 48 Prozent gesunken (Statista, 2024).

Mit dem EU ETS setzt Europa auf ein Instrument, das marktwirtschaftliche Effizienz mit klimapolitischer Zielstrebigkeit vereinen soll. Der Preis für CO₂ wird dabei zum zentralen Signal für Unternehmen, in klimafreundliche Technologien zu investieren und Emissionen dort zu senken, wo es wirtschaftlich am sinnvollsten ist.

Wie funktioniert das EU ETS?

Das EU ETS basiert auf einem einfachen, aber wirkungsvollen Prinzip: Es wird eine Obergrenze (Cap) für die Gesamtmenge an Treibhausgasen festgelegt, die bestimmte Sektoren innerhalb der EU ausstoßen dürfen. Diese Obergrenze wird Jahr für Jahr gesenkt, um die Emissionen schrittweise zu reduzieren und bis 2050 das Ziel der Netto-Klimaneutralität zu erreichen.

Gesamtkapazität der Emissionen im EU ETS

(Umweltbundesamt, 2025)

Das Handelssystem funktioniert nach dem “Cap-and-Trade“-Prinzip: Unternehmen erhalten oder erwerben Emissionszertifikate, wobei jedes Zertifikat zur Emission einer Tonne CO₂-Äquivalent berechtigt. Durch den Handel dieser Zertifikate entsteht ein Marktpreis für CO₂-Emissionen. Dadurch entsteht ein ökonomischer Anreiz, Emissionen dort zu reduzieren, wo dies am kostengünstigsten ist – sei es durch effizientere Prozesse oder Investitionen in klimafreundliche Technologien.

Unternehmen in den erfassten Sektoren sind verpflichtet, jährlich für jede ausgestoßene Tonne CO₂ ein entsprechendes Emissionszertifikat vorzuhalten. Können sie diese Nachweise nicht erbringen, drohen Geldstrafen von 100€ pro Tonne überschüssiger CO2-Emissionen, sowie eine Nachweispflicht, die belegt, dass die fehlenden Zertifikate nachträglich erworben und abgegeben wurden. Zusätzlich müssen die Unternehmen jedes Jahr bis spätestens 31. März einen von einem akkreditierten Prüfer verifizierten Emissionsbericht für das vorangegangene Kalenderjahr bei der zuständigen Behörde einreichen (European Commission, n.d.).

In der EU spielt die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Deutschland eine zentrale Rolle im Handel mit CO₂-Emissionszertifikaten. An der EEX finden sowohl Primärmarktauktionen statt, bei denen Zertifikate in Auktionen versteigert werden, als auch der Handel auf dem Sekundärmarkt, auf dem bereits ausgegebene Zertifikate zwischen Marktteilnehmern gehandelt werden. Ein weiterer bedeutender europäischer Handelsplatz ist die Intercontinental Exchange (ICE) in London. Dort wird unter anderem das UK Emissions Trading Scheme (UK ETS) abgewickelt – das eigenständige Emissionshandelssystem des Vereinigten Königreichs, das nach dem Brexit als Pendant zum EU ETS eingeführt wurde (UK Government, 2025).

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Wie hat sich das EU ETS entwickelt?

Seit seiner Einführung hat das System mehrere Handelsperioden durchlaufen, in denen verschiedene Reformen umgesetzt wurden, um seine Effektivität zu verbessern. Anfangs war das System von niedrigen CO₂-Preisen geprägt, was seine Wirksamkeit einschränkte. Durch politische Reformen konnte jedoch seit 2018 ein deutlicher Preisanstieg bei den Zertifikaten erreicht werden, der die Steuerungsfunktion deutlich erhöht hat.

Preisentwicklung für Emissionsberechtigungen im EU ETS

(Umweltbundesamt, 2025)

Das EU ETS umfasst derzeit etwa 45 % der gesamten Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union. Es deckt mehr als 9.000 Kraftwerke und Industrieanlagen in den EU-Mitgliedstaaten sowie in Island, Norwegen und Liechtenstein ab. Zu den vom EU ETS erfassten Sektoren gehören die Energie- und Wärmeerzeugung, energieintensive Industrien wie die Stahl-, Zement- und chemische Industrie, die Luft- und Schifffahrt sowie die Produktion spezifischer Gase wie Distickstoffoxid (Deutsche Emissionshandelsstelle, 2024).

Die umfassendste Reform erfolgte im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets, das im Juni 2023 in Kraft trat (Council of the European Union, 2023). Ziel ist es, die Emissionen bis 2030 um 62 % gegenüber dem Niveau von 2005 zu senken – zuvor lag das Ziel bei 43 %. Die Reform verschärft nicht nur die jährliche Emissionsobergrenze, sondern erweitert den Anwendungsbereich des Systems deutlich, unter anderem durch die Einführung eines zweiten Emissionshandelssystems (ETS II), das ab 2027 auch den Gebäude- und Verkehrssektor abdecken soll. Damit werden künftig rund 85 % aller CO₂-Emissionen in der EU vom Emissionshandel erfasst (European Commission, n.d.).

In Deutschland ist das angepasste Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG-Europarechtsanpassungsgesetz) am 6. März 2025 in Kraft getreten und schafft den rechtlichen Rahmen für die nationale Umsetzungen der Reformen (Bundesministerium der Justiz, 2025).

Welche Wirkung hat es bisher entfaltet?

Die Wirksamkeit des EU-Emissionshandelssystems war aufgrund niedriger Preise für Emissionszertifikate lange Zeit umstritten. Durch die politischen Reformen der letzten Jahre hat der Preis der Zertifikate jedoch zugelegt und befindet sich aktuell bei einem Preis von 67€ (boerse.de, n.d., Zugriff: 15.04.2025), was die Lenkungswirkung des Systems deutlich verstärkt hat.

Ein Blick auf die CO₂-Preise in anderen Ländern zeigt, wie unterschiedlich stark der Markt klimafreundliches Verhalten weltweit belohnt:

carbon price world bank 1

(Visual Capitalist, 2024)

Neben den Preisen spielt auch die Größe eines Emissionshandelssystems eine wichtige Rolle. Im internationalen Vergleich hat sich das EU ETS als das zweitgrößte System weltweit etabliert – direkt hinter dem chinesischen.

  1. China National ETS (China) – Das größte Emissionshandelssystem weltweit, gestartet 2021, deckt ca. 5.000 Megatonnen CO₂ ab, hauptsächlich aus dem Energiesektor.

  2. EU Emissions Trading System (EU-ETS) (EU) – Seit 2005 aktiv, umfasst Energie, Industrie und Luftverkehr mit einem Cap von etwa 1.386 Megatonnen CO₂ für Energie und Industrie.

  3. Korea Emissions Trading Scheme (Korea ETS) (Südkorea) – Gestartet 2015, deckt ca. 567 Megatonnen CO₂ ab, umfasst Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr und Luftverkehr.

(ICAP, n.d., Zugriff: 15.04.2025)

Untersuchungen zeigen, dass das EU ETS ein effektives Instrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ist. Die Emissionen in den vom Emissionshandel erfassten Industrie- und Energiesektoren sind seit der Einführung um 48% gesunken, was auf die grundsätzliche Wirksamkeit des Systems hinweist (Statista, 2024). Doch neben diesem Erfolg gibt es stets Herausforderungen die mit dem EU ETS einhergehen.

Welche Schwächen und Herausforderungen bestehen?

Trotz messbarer Fortschritte steht das EU ETS vor einer Reihe von strukturellen und politischen Herausforderungen. Eine der größten ist die sogenannte Carbon Leakage – die Verlagerung von CO₂-intensiver Produktion in Nicht-EU-Staaten mit weniger strengen Klimaauflagen (European Commission, n.d.).

Um diesem Problem entgegenzuwirken, haben sich die EU-Mitgliedstaaten darauf verständigt, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine zentrale Maßnahme ist der CBAM, ein CO₂-Grenzausgleichssystem, das Importe bestimmter emissionsintensiver Güter an die Bedingungen des EU ETS anpasst. Ziel ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, Klimaschutzanreize auf globaler Ebene zu stärken und einen fairen CO₂-Preis auch für eingeführte Produkte sicherzustellen (European Commission, 2025).

Ein weiterer Kritikpunkt ist der erhöhte Verwaltungsaufwand, der durch die umfangreichen Berichtspflichten und die komplexen regulatorischen Anforderungen entsteht. Besonders für kleinere Unternehmen kann dies eine erhebliche Belastung darstellen. Durch die Anpassung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im Rahmen des Omnibus-Gesetzes wird diese Herausforderung jedoch teilweise entschärft, da gewisse Berichtspflichten klarer gefasst und besser abgestimmt wurden.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, das System kontinuierlich an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und sich verändernde wirtschaftliche Bedingungen anzupassen. Die regelmäßigen Reformen des Systems sind jedoch ein Beleg für diese kontinuierliche Weiterentwicklung.

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Wohin geht die Reise?

In Zukunft wird das EU ETS eine noch zentralere Rolle in der europäischen Klimapolitik spielen, da immer mehr Sektoren einbezogen werden und die Emissionsobergrenze weiter sinkt. Eine zentrale Änderung betrifft zudem die Abschaffung kostenloser Emissionszertifikate: Zwischen 2026 und 2034 wird diese schrittweise erfolgen; im Luftverkehr endet die kostenlose Zuteilung bereits 2026. Das langfristige Ziel ist klar: Bis 2050 sollen die durch das EU ETS regulierten Emissionen auf Null reduziert werden, um zur Netto-Klimaneutralität der EU beizutragen. Ergänzend dazu wird ab 2027 das neue EU ETS 2 in Kraft treten, das Emissionen aus dem Gebäude- und Verkehrssektor sowie kleineren Industriebranchen erfasst. Ein Teil der Einnahmen fließt in den Sozialen Klimafonds, um einkommensschwächere Haushalte zu unterstützen (European Comission, n.d.).

Flankierend führt die EU ab 2026 den CBAM ein – ein CO₂-Grenzausgleichssystem für Importe emissionsintensiver Güter wie Stahl, Zement oder Aluminium. Damit soll sichergestellt werden, dass für importierte Produkte ein vergleichbarer CO₂-Preis gilt wie für in der EU hergestellte Waren – und so Wettbewerbsverzerrungen sowie Carbon Leakage verhindert werden. Während der Übergangsphase bis 2025 sind Importeure zur reinen Emissionsberichterstattung verpflichtet; ab 2026 müssen sie entsprechende CBAM-Zertifikate erwerben und abgeben (European Comission, 2025).

Fazit

Das EU-Emissionshandelssystem ist ein innovatives und zunehmend wirksames Instrument der europäischen Klimapolitik. Es verbindet ökologische Zielsetzungen mit marktwirtschaftlichen Mechanismen, indem es durch eine sinkende Obergrenze und handelbare Emissionszertifikate klare Anreize zur Emissionsminderung schafft. Unternehmen reagieren – und der CO₂-Ausstoß sinkt dort, wo es ökonomisch am effizientesten ist.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems zeigt, dass die EU lernfähig und anpassungsbereit ist: Mit Reformen wie „Fit for 55“ und der Ausweitung auf weitere Sektoren wird das EU ETS Schritt für Schritt zu einem umfassenden, sektorübergreifenden Klimainstrument ausgebaut. Als ältestes und zweitgrößtes Emissionshandelssystem weltweit dient es bereits heute als Vorbild für andere Regionen und könnte langfristig die Basis für eine globale CO₂-Bepreisung bilden.

Das EU ETS zeigt: Wenn politische Rahmenbedingungen klar gesetzt sind und der Preis stimmt, kann der Markt zu einem wirksamen Hebel für den Klimaschutz werden. Er ist kein Allheilmittel – aber ein zentraler Baustein auf dem Weg zur Netto-Klimaneutralität.

 

Quellenverzeichnis

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