Green AI: Nachhaltigkeit in der Künstlichen Intelligenz

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Die Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt zunehmend alle Bereiche unseres Lebens und verspricht revolutionäre Fortschritte in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Doch mit dieser technologischen Revolution geht eine weniger sichtbare, aber ebenso bedeutsame Entwicklung einher: ein exponentiell wachsender ökologischer Fußabdruck. Während KI-Systeme immer leistungsfähiger werden, steigt ihr Energie- und Ressourcenverbrauch dramatisch an. Als Antwort auf diese Herausforderung entsteht die Bewegung der „Green AI“, die eine zentrale Frage aufwirft: Wie können wir die Vorteile der KI nutzen, ohne dabei unseren Planeten zu gefährden?

Was ist Green AI?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst verstehen, was Green AI eigentlich bedeutet. Green AI, auch bekannt als Sustainable AI oder Eco-friendly AI, konzentriert sich auf die Entwicklung und den Einsatz von KI in einer Weise, die deren Umweltauswirkungen minimiert. Die Green AI Committee (GAIC) der Green Software Foundation hat hierfür eine präzise Definition etabliert, die sich explizit auf die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von KI-Systemen über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg konzentriert (Green AI Committee, 2025).

Besonders wichtig ist dabei die klare Abgrenzung von verwandten Konzepten. Diese Definition umfasst bewusst nicht, was KI für die Nachhaltigkeit tun kann – wie beispielsweise die Optimierung von Lieferketten oder Energiemanagement – noch befasst sie sich mit Responsible AI oder AI Safety (Green AI Committee, 2025). Diese scharfe Fokussierung erweist sich als entscheidend, da sie das Kernproblem des ökologischen Fußabdrucks von KI in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig verhindert, dass Unternehmen Greenwashing betreiben, indem sie ihre „AI for sustainability“-Initiativen hervorheben, während sie die Umweltkosten ihrer eigenen KI-Infrastruktur ignorieren.

Die Dringlichkeit dieser Fokussierung wird durch alarmierende Zahlen unterstrichen. Rechenzentren verbrauchen bereits heute weltweit etwa 1% des globalen Strombedarfs – eine Zahl, die voraussichtlich weiter steigen wird (Green AI Institute, 2025). Angesichts dieser Entwicklung macht die Notwendigkeit, den ökologischen Fußabdruck dieser Einrichtungen zu mindern, Green AI zu einem zentralen Thema für die Zukunft der Technologie.

Der ökologische Fußabdruck der KI

Energieverbrauch von KI-Systemen und Rechenzentren

Die Zahlen zum Energieverbrauch moderner KI-Systeme sind gleichermaßen beeindruckend wie besorgniserregend. Die für das Training generativer KI-Modelle erforderliche Rechenleistung kann einen enormen Stromverbrauch verursachen, was direkt zu erhöhten CO2-Emissionen und erheblichem Druck auf das Stromnetz führt (Zewe, 2025). Dabei kann ein generativer KI-Trainingscluster sieben- bis achtmal mehr Energie verbrauchen als eine typische Computerarbeitslast (Zewe, 2025).

Um das tatsächliche Ausmaß dieser Herausforderung zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf konkrete Entwicklungen: Der weltweite Stromverbrauch von Rechenzentren hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt und wird sich bis 2030 voraussichtlich erneut verdoppeln. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, ist der größte Anstieg vor allem bei den beschleunigten Servern zu verzeichnen, die für den Einsatz von KI genutzt werden.

Green AI - hoher Stromverbrauch in den kommenden Jahren

Abbildung 1: Weltweiter Stromverbrauch von Datenzentren nach Ausstattungsmerkmalen

Noch problematischer wird die Situation durch die Tatsache, dass KI-Server bis zu zehnmal mehr Strom verbrauchen als Standardserver und dabei in beispiellosem Umfang eingesetzt werden (Galarza, 2025). Diese exponentielle Zunahme des Energieverbrauchs stellt nicht nur ein quantitatives Problem dar, sondern entwickelt sich zu einem systematischen Risiko für die globale Energieinfrastruktur. Erschwerend kommt hinzu, dass Experten warnen, erneuerbare Energien wachsen derzeit nicht schnell genug, um mit dem Bedarf der KI Schritt zu halten (Galarza, 2025), was unweigerlich zu einer erhöhten Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen führen könnte.

Kohlenstoffemissionen durch Training und Inferenz

Dieser massive Energieverbrauch von KI-Systemen manifestiert sich unmittelbar in erheblichen Kohlenstoffemissionen. Ein anschauliches Beispiel liefert das Training von OpenAIs GPT-3, das allein 1.287 Megawattstunden Strom verbrauchte – genug, um etwa 120 durchschnittliche US-Haushalte ein Jahr lang zu versorgen – und dabei etwa 552 Tonnen Treibhausgase erzeugte (Zewe, 2025). Nimmt man den aktuellen Preis einer Tonne Treibhausgase von ca. 70€ (Börse) entstehen alleine durch den Ausstoß der Treibhaugase Kosten im Wert von 552t * 70€ = 38.640€. Diese einzelne Zahl verdeutlicht bereits die enormen Umweltkosten bestehender KI-Modelle.

Doch die Umweltbelastung endet keineswegs nach dem Training. Vielmehr verbraucht jede Nutzung eines Modells, die sogenannte Inferenz, ebenfalls kontinuierlich Energie. Dabei verbraucht beispielsweise eine ChatGPT-Abfrage etwa fünfmal mehr Strom als eine einfache Websuche (Zewe, 2025). Da diese Modelle zunehmend allgegenwärtig werden und ihre Nutzung exponentiell steigt, wird erwartet, dass die Inferenz bei generativer KI schon bald den größten Anteil des Energieverbrauchs ausmachen wird (Zewe, 2025).

Ressourcenverbrauch: Wasser, Rohstoffe und Elektronikschrott

Parallel zum Energieverbrauch stellt der Wasserbedarf eine weitere kritische Ressourcenherausforderung dar. Rechenzentren benötigen erhebliche Mengen Wasser für ihre Kühlsysteme, wobei geschätzt wird, dass für jede Kilowattstunde Energie, die ein Rechenzentrum verbraucht, zwei Liter Wasser für die Kühlung benötigt werden (Zewe, 2025). Um diese Zahlen zu konkretisieren: Das Training eines bestimmten generativen KI-Modells könnte direkt 700.000 Liter Frischwasser für die Kühlung verdunsten lassen – das entspricht etwa 25% eines olympischen Schwimmbeckens (LI, 2025).

Neben dem direkten Betrieb entstehen weitere Umweltbelastungen bereits bei der Herstellung der Hardware. Die Produktion der für KI unerlässlichen GPUs hat erhebliche Umweltauswirkungen, die Emissionen im Zusammenhang mit Material- und Produkttransport sowie die Umweltfolgen der Gewinnung von Rohmaterialien umfassen, welche oft mit umweltschädlichen Bergbauverfahren und dem Einsatz giftiger Chemikalien verbunden sind (Zewe, 2025).

Zusätzlich verschärft der schnelle Fortschritt der KI-Hardware das Problem der Nachhaltigkeit durch häufige Hardware-Ersetzungen, was schwer recycelbaren Elektronikschrott erzeugt (Brinkman, 2025). Besonders problematisch ist dabei die Abhängigkeit der KI-Chip-Produktion von seltenen Erden, deren Abbau nicht-erneuerbare Ressourcen erschöpft und zu Umweltverschmutzung sowie Lebensraumzerstörung beiträgt (Brinkman, 2025).

Prinzipien und Best Practices für Green AI

Angesichts dieser umfassenden Umweltherausforderungen haben sich verschiedene Ansätze und Best Practices für Green AI entwickelt, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen.

Effizienz auf algorithmischer Ebene

Der erste und oft wirksamste Ansatzpunkt für Green AI liegt in der Optimierung der KI-Modelle selbst. Hier erweist sich die Priorisierung kleinerer Modelle als besonders effektive Strategie, da effiziente Architekturen wie DistilBERT demonstrieren, dass kompaktere Modelle mit deutlich weniger Ressourcen eine vergleichbare Leistung erzielen können (Sanh, 2019).

Ergänzend dazu können fortgeschrittene Optimierungstechniken den Ressourcenbedarf weiter reduzieren. Techniken wie Modellpruning – bei dem redundante Verbindungen systematisch entfernt werden – und Quantisierung, die die numerische Präzision von Berechnungen reduziert, können den Rechenaufwand ohne spürbare Leistungseinbußen erheblich verringern (AIQURIS, 2025; GAO, 2025).

Darüber hinaus stellt die strategische Wiederverwendung vortrainierter Modelle anstatt des Trainings von Grund auf eine weitere wichtige Effizienzmaßnahme dar, die den anfänglichen Rechenaufwand erheblich reduziert (VerifyWise, 2025). Parallel dazu trägt die Begrenzung von Overfitting durch early stopping zur Gesamteffizienz bei und verhindert verschwenderische Rechenzyklen (VerifyWise, 2025).

Hardware-Innovationen und nachhaltige Rechenzentren

Neben algorithmischen Verbesserungen bietet die Hardware-Ebene enormes Optimierungspotenzial. Investitionen in energieeffiziente Prozessoren wie TPUs oder spezialisierte CPUs sind dabei unerlässlich, um den Energieverbrauch sowohl während des Trainings als auch der Inferenz zu minimieren (AIQURIS, 2025).

Besonders bedeutsam erweisen sich in diesem Kontext SSDs (Solid-State Drives) als entscheidende Komponenten zur Verbesserung der Energieeffizienz, da sie im Vergleich zu traditionellen HDDs nicht nur deutlich weniger Strom verbrauchen, sondern auch erheblich schneller arbeiten (Baker, 2025).

Darüber hinaus revolutionieren neue Technologien wie CXL (Compute Express Link) die Effizienz von KI-Systemen, indem sie die Speicherkapazität und Bandbreite verbessern, die GPU-Auslastung erhöhen und gleichzeitig den Energieverbrauch reduzieren (Baker, 2025). Parallel dazu entwickeln sich intelligente Speichersysteme, die KI-Algorithmen zur dynamischen Verwaltung von Datenplatzierung, Bandbreitennutzung und Stromverbrauch integrieren, als entscheidende Komponenten für die nächste Generation von KI-Rechenzentren (Baker, 2025).

Schließlich können fortschrittliche Flüssigkeitskühlsysteme wie das Immersive Liquid Cooling System die Gesamteffizienz weiter verbessern, indem sie den traditionell hohen Energiebedarf für die Kühlung von KI-Servern deutlich reduzieren.

Einsatz erneuerbarer Energien und geografische Optimierung

Während technische Optimierungen wichtig sind, spielt die Energiequelle für Rechenzentren eine noch fundamentalere Rolle für die Nachhaltigkeit von KI-Systemen. Eine konsequente Umstellung von Rechenzentren auf erneuerbare Energiequellen ist daher entscheidend, um sicherzustellen, dass KI-Operationen wirklich nachhaltig betrieben werden.

Ein praktischer Schritt in diese Richtung ist die bewusste Nutzung grüner Cloud-Anbieter, die konsequent auf erneuerbare Energien setzen. Ergänzend dazu kann die zeitliche Optimierung erhebliche Verbesserungen bewirken: Die strategische Planung des Modelltrainings während Stunden geringer Kohlenstoffintensität im Stromnetz kann den ökologischen Fußabdruck messbar reduzieren (VerifyWise, 2025).

Noch wirkungsvoller ist jedoch eine geografische Optimierung der KI-Infrastruktur. Die gezielte Platzierung von KI-Rechenzentren in Regionen mit reichlich erneuerbarer Energie wie Island kann die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen erheblich reduzieren. Diese Strategie lässt sich durch moderne Cloud-Technologien noch weiter optimieren: Cloud-Anbieter können KI-Aufgaben dynamisch an Orte verlagern, an denen erneuerbare Energie zu einem bestimmten Zeitpunkt am besten verfügbar ist (Galarza, 2025).

Transparenz und Messbarkeit von Umweltauswirkungen

All diese technischen und strategischen Maßnahmen sind jedoch nur dann wirklich effektiv, wenn sie auf einer soliden Basis von Transparenz und Messbarkeit aufbauen. Ohne präzise Daten bleiben Fortschritte vage und die Rechenschaftspflicht gering. Daher ist die systematische Durchführung von Energieaudits zur Messung des Kohlenstoff-Fußabdrucks von KI-Systemen und zur Identifizierung von Ineffizienzen von grundlegender Bedeutung (AIQURIS, 2025).

Zur praktischen Umsetzung dieser Transparenz ermöglicht der Einsatz spezialisierter Tools, wie z.B. der Carbontracker vom Green-AI Hub, eine präzise Überwachung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen. Ein ermutigendes Beispiel für diese Praxis hat Hugging Face geschaffen, indem es einen wichtigen Präzedenzfall etablierte und die Treibhausgase einiger seiner Modelle veröffentlichte (VerifyWise, 2025).

Aufbauend auf solchen Beispielen sollten Unternehmen systematisch umfassende Umweltverträglichkeitsberichte veröffentlichen, die Energiequellen, Lebenszyklusemissionen und Kompensationsbemühungen detailliert darlegen (Brinkman, 2025). Die Bedeutung dieser Transparenz wird durch das US Government Accountability Office unterstrichen, das hervorhebt, dass fehlende Daten derzeit ein großes Problem darstellen (GAO, 2025), was die dringende Notwendigkeit standardisierter Messungen und Berichterstattung unterstreicht.

Vorteile und Chancen von Green AI

Trotz aller Herausforderungen bietet Green AI nicht nur Lösungen für Umweltprobleme, sondern eröffnet auch bedeutende Chancen in verschiedenen Bereichen.

Umweltschutz und Ressourceneffizienz

Der offensichtlichste Vorteil von Green AI liegt in der direkten Optimierung des Ressourcenverbrauchs und der Reduzierung der Umweltbelastung durch den Einsatz fortschrittlicher Algorithmen und Datenanalysen. Dabei können Industrien nicht nur den Energieverbrauch minimieren, sondern gleichzeitig die Abfallerzeugung und den Treibhausgasausstoß reduzieren sowie Produktionsprozesse optimieren.

Ein besonders beeindruckendes Beispiel für diese Möglichkeiten liefert Google, das durch den strategischen Einsatz von KI-Algorithmen zur Optimierung seiner Kühlsysteme den Energieverbrauch seiner Rechenzentren um 40% senken konnte (OneAdvanced PR, 2025).

Diese individuellen Erfolge summieren sich zu systemweiten Verbesserungen: Die Verbesserung der Energieeffizienz in verschiedenen Sektoren führt sowohl zu reduzierten Treibhausgasemissionen als auch zu niedrigeren Betriebskosten. Intelligente Energienetze, Precision Farming und energieeffiziente Fertigungsprozesse tragen alle zu einer besseren Ressourcenschonung bei und demonstrieren das Potenzial von Green AI für umfassende systemweite Verbesserungen.

Wirtschaftliche und Wettbewerbsvorteile

Parallel zu den Umweltvorteilen entstehen auch erhebliche wirtschaftliche Chancen. Die Umweltvorteile von Green AI – Energieeffizienz, Ressourceneffizienz und Verringerung der Treibhausgasemissionen – führen direkt zu messbaren Kosteneinsparungen und sind daher gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile. Die Einführung von Green AI fördert darüber hinaus die Innovations- und Wettbewerbskultur in Unternehmen. Dadurch können Unternehmen neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entwickeln, die bei zunehmend umweltbewussten Verbrauchern starken Anklang finden. Dies kann Tech-Firmen dabei helfen, eine Führungsposition in Technologie, Ethik und Nachhaltigkeit gleichzeitig einzunehmen (Brinkman, 2025).

Diese Positionierung wird besonders relevant, da die Generation Z verstärkt Transparenz bezüglich der Umweltkosten von KI fordert und bewusst Unternehmen bevorzugt, die aktiv Maßnahmen zur Minderung ihrer Auswirkungen ergreifen (Brinkman, 2025).

Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung und Klimaresilienz

Auf einer noch grundlegenderen Ebene bietet Green AI eine gute Möglichkeit, Wirtschaftswachstum systematisch von Umweltzerstörung zu entkoppeln. Durch die Förderung nachhaltiger Praktiken und Innovationen ermöglicht Green AI Industrien, weiterhin Wachstum zu erzielen und gleichzeitig ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren.

Diese Transformation erstreckt sich von nachhaltigem Lieferkettenmanagement bis zur Entwicklung grüner Infrastruktur und erleichtert so den systematischen Übergang zum nachhaltigeren und widerstandsfähigeren Wirtschaften. Gleichzeitig schafft Green AI neue wirtschaftliche Möglichkeiten und fördert das Beschäftigungswachstum in verschiedenen Branchen, da die Nachfrage nach Fachkräften in Datenwissenschaft, KI-Entwicklung und Umweltmanagement kontinuierlich steigt (ToXSL Technologies Pvt. Ltd., 2025).

Diese „doppelte Dividende“ – sowohl die Reduzierung der eigenen Kosten als auch die Befähigung anderer zu Nachhaltigkeitslösungen – positioniert Green AI als zentralen Hebel für eine umfassende grüne Transformation der Wirtschaft.

Herausforderungen und der Weg nach vorn

Trotz aller vielversprechenden Vorteile und Chancen steht die praktische Implementierung von Green AI vor erheblichen Herausforderungen, die einen strukturierten Ansatz erfordern.

Aktuelle Hürden bei der Implementierung

Eine der grundlegendsten Hürden liegt in der Datenqualität, da voreingenommene, unvollständige oder ungenaue Daten zu schlechten Ergebnissen führen und nachhaltige KI-Praktiken systematisch behindern können (OneAdvanced PR, 2025). Parallel dazu bleibt die schiere Rechenleistung eine zentrale Herausforderung, da KI-Modelle nach wie vor erhebliche Rechenleistung erfordern, was unweigerlich zu hohem Energieverbrauch und einem großen Ausstoß von Treibhausgasen führt.

Zusätzlich verschärft sich das Problem des Hardware-Recyclings kontinuierlich mit der wachsenden Menge an Elektronikschrott, der schwer zu recyceln ist (OneAdvanced PR, 2025). Ein weiterer kritischer Faktor ist der nach wie vor bestehende Mangel an Bewusstsein: Unternehmen und Entwickler verstehen oft weder die Bedeutung noch den praktischen Implementierungsprozess von nachhaltiger KI ausreichend (OneAdvanced PR, 2025).

Erschwerend kommt hinzu, dass die genaue Schätzung der Umweltauswirkungen von generativer KI aufgrund fehlender Daten und der mangelnden Bereitschaft von Entwicklern, proprietäre Informationen offenzulegen, nach wie vor schwierig ist (GAO, 2025).

Besonders tückisch erweist sich dabei der sogenannte „Rebound-Effekt“: Effizienzgewinne könnten paradoxerweise durch den gleichzeitigen Anstieg der Nachfrage nach KI-Diensten völlig zunichte gemacht werden (GAO, 2025; Galarza, 2025). Wenn KI effizienter und damit kostengünstiger wird, wird sie in mehr Anwendungen eingesetzt und von mehr Nutzern verwendet, wodurch die Einsparungen pro Einheit durch die massive Zunahme der Einheiten kompensiert werden. Diese Dynamik bedeutet, dass Green AI nicht nur eine technische, sondern auch eine regulatorische und verhaltensbezogene Herausforderung darstellt.

Politische Rahmenbedingungen und Regulierungen

Angesichts dieser komplexen Herausforderungen erkennen Regierungen weltweit zunehmend die Bedeutung der Etablierung umfassender Green AI-Politiken. Ein gutes Beispiel hierfür war der AI Action Summit in Paris, bei dem 60 Nationen, darunter China und Indien eine gemeinsame Erklärung unterzeichneten, die sich für eine inklusive und nachhaltige KI-Entwicklung einsetzt (Wikipedia, 2025).

Parallel dazu betonen die KI-Regulierungen der Europäischen Union verstärkt die Notwendigkeit von Transparenz, Rechenschaftspflicht und Inklusivität im KI-Sektor, was Unternehmen systematisch zu nachhaltigeren Praktiken anleitet (AIQURIS, 2025).

Auf einer praktischeren Ebene identifiziert der umfassende GAO-Bericht konkrete politische Optionen zur Verbesserung der Datenerfassung und -berichterstattung, zur Förderung von Innovationen und zur direkten Reduzierung von Umweltauswirkungen (GAO, 2025). Diese Empfehlungen umfassen sowohl die systematische Ermutigung der Industrie, Daten über den Umwelteinfluss der Hardwareproduktion und -entsorgung zu teilen, als auch die verpflichtende Bereitstellung von Informationen über Modell-Details, Infrastruktur, Energie- und Wasserverbrauch sowie Treibhausgase durch Entwickler.

Die Rolle aller Stakeholder

Die erfolgreiche Förderung von Green AI erfordert jedoch eine koordinierte und gemeinsame Anstrengung aller beteiligten Stakeholder. Forschung und Industrie sind dabei aufgerufen, ihre Anstrengungen zur Entwicklung effizienterer Hardware und Infrastruktur deutlich zu verstärken (GAO, 2025). Gleichzeitig ist die intensive Erforschung technischer Methoden zur Reduzierung von Umweltauswirkungen, unterstützt durch systematisch verbesserte Datenerfassung und -berichterstattung, von entscheidender Bedeutung für den Gesamterfolg.

Eine besonders wichtige und oft unterschätzte Rolle spielen dabei die Verbraucher, insbesondere die Generation Z, als zunehmend wichti

ge treibende Kraft für Transparenz und Nachhaltigkeit. Ihre bewussten Präferenzen können Unternehmen effektiv dazu anspornen, nachhaltige Praktiken zu integrieren, und machen Green AI zu einem echten Wettbewerbsvorteil.

Dieser externe Druck von Verbraucherseite kann sich als deutlich effektiver erweisen als interne Compliance-Bemühungen allein und könnte langfristig zu einem „Race to the Top“ in Sachen Nachhaltigkeit führen, von dem die gesamte Branche profitiert.

Quellenverzeichnis

AIQURIS. (2025). Green AI: Policies and Practices for a Sustainable Future. Verfügbar unter: Green AI: Policies and Practices for a Sustainable Future (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Baker, J.B. (2025). AI’s Energy Demands: Addressing Sustainability and Technological Advancements in Data Centers. In: Analytics Magazine. Verfügbar unter: AI’s Energy Demands: Addressing Sustainability and Technological Advancements in Data Centers | Analytics Magazine (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Brinkman, C. (2025). Green AI Is a Competitive Advantage — Here’s Why It Matters. Verfügbar unter: Green AI Is a Competitive Advantage — Here’s Why It Matters (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Galarza, M. (2025). Power: AI data centers need more and more energy. Verfügbar unter: To power AI, data centers need more and more energy (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

GAO. (2025). Generative Artificial Intelligence: Emerging Benefits and Risks to Society, Culture, and People. Verfügbar unter: https://www.gao.gov/assets/gao-25-107172.pdf (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Green AI Committee. (2025). Green AI Position Paper. Verfügbar unter: Green AI Position Paper (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Green AI Institute. (2025). The GreenAI Institute. Verfügbar unter: Green AI Institute (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

OneAdvanced PR. (2024). Sustainable AI: Green innovation towards better tomorrow. Verfügbar unter: Sustainable AI: Green innovation towards better tomorrow (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Srinivasa, M., et al. (2023) A Novel Approach to AI-Driven E-Waste Recycling. Verfügbar unter: Making AI Less „Thirsty“: Uncovering and Addressing the… (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

ToXSL Technologies Pvt. Ltd. (2025). Power of Green AI: Driving Sustainability Through Artificial Intelligence. Verfügbar unter: Power of Green AI: Driving Sustainability Through Artificial Intelligence (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

VerifyWise (n.d.) Green AI Principles. Verfügbar unter: Green AI principles – VerifyWise (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Wikipedia (2024) AI Action Summit. Verfügbar unter: AI Action Summit (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Zewe, A. (2025). Explained: Generative AI’s environmental impact. In: MIT News. Verfügbar unter: Explained: Generative AI’s environmental impact (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

Zhang, L., et al. (2019) Intelligent Sorting Systems for Electronic Waste Management using Deep Learning. Verfügbar unter: DistilBERT, a distilled version of BERT: smaller, faster, cheaper… (Zuletzt aufgerufen: 10. Juni 2025).

EBA-Leitlinien zum ESG-Risikomanagement

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Trotz der im Rahmen des Omnibus-Verfahrens angekündigten Reduktion der Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung bleibt der Druck – insbesondere auf den Finanzsektor – hoch: Klimawandel, Umweltzerstörung und soziale Ungleichgewichte verändern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fundamental. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) am 8. Januar 2025 ihre finalen Leitlinien zum Management von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (ESG-Risiken) veröffentlicht und damit einen bedeutenden Schritt zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Risikomanagement von Finanzinstituten unternommen. Die Leitlinien schaffen einen einheitlichen europäischen Standard und werden für alle Banken verpflichtend. Große Institute müssen die Vorschriften bis zum 11. Januar 2026 umsetzen, kleine und nicht komplexe Institute haben dafür bis zum 11. Januar 2027 Zeit (European Banking Authority, 2025).

Der folgende Bericht bietet einen Überblick über die EBA-Leitlinien, deren zentrale Anforderungen, Implementierungszeitpläne und Herausforderungen.

 

Entwicklung und rechtlicher Rahmen der EBA-Leitlinien

Mitte Januar 2024 veröffentlichte die EBA ihr Konsultationspapier „Draft Guidelines on the management of ESG risks“, welches kommentiert werden konnte (European Banking Authority, 2024). Nach Abschluss dieser Konsultationsphase wurden die finalen Leitlinien am 8. Januar 2025 veröffentlicht. Dieser Entwicklungsprozess steht im Einklang mit der übergreifenden EBA-Roadmap für nachhaltige Finanzen und reflektiert die zunehmende Bedeutung von ESG-Faktoren im europäischen Finanzsektor (European Banking Authority, 2022).

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Abbildung 1: Key objectives of the EBA’s Roadmap on Sustainable Finance; Quelle: European Banking Authority (2022)

Die EBA-Leitlinien dienen dazu, die in der Eigenkapitalrichtlinie (CRD6) festgelegten Anforderungen zu ESG-Risiken weiter zu konkretisieren und deren Umsetzung in der Praxis zu erleichtern (Europäisches Parlament, 2024). Im Gegensatz zu anderen EU-Nachhaltigkeitsvorschriften wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder der vorgeschlagenen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die sich primär auf die Vereinbarkeit von Geschäftsmodellen mit den Klima- und Nachhaltigkeitszielen der EU konzentrieren, fokussieren sich die EBA-Leitlinien explizit auf die Integration von ESG-Risiken in die Geschäftsstrategien und Risikomanagementprozesse von Finanzinstituten (Europäische Kommission, n.d.).

 

Wann treten die EBA-Vorgaben in Kraft?

Die Umsetzung der EBA-Leitlinien erfolgt in einem gestaffelten Zeitplan. Ab Januar 2026 werden die Leitlinien für die meisten Kreditinstitute verbindlich, während kleinere und nicht-komplexe Institute bis Januar 2027 Zeit für die vollständige Implementierung haben. Diese differenzierte Herangehensweise berücksichtigt die unterschiedlichen Ressourcen und Kapazitäten der betroffenen Institute.

Neben der Integration in die internen Prozesse und Risikosteuerung zielen die Leitlinien auch darauf ab, die Transparenz gegenüber dem Markt zu erhöhen und spielen deshalb direkt in die ESG-Berichterstattung nach Säule 3 des Baseler Rahmenwerks hinein. Diese wurde bereits ab Januar 2025 auf alle EU-Banken ausgeweitet, einschließlich der etwa 2.000 weniger bedeutenden Institute (LSI). Die EBA hat für diese Berichterstattung strukturierte Vorlagen eingeführt, die wichtige Kennzahlen wie die Green Asset Ratio (GAR) und die Banking Book Taxonomy Alignment Ratio (BTAR) umfassen. Diese standardisierten Berichtsformate sollen die Konsistenz und Vergleichbarkeit der offengelegten Informationen gewährleisten (European Banking Authority, 2022).

 

Wie integrieren Finanzinstitute ESG-Risiken nach den Leitlinien?

Ein zentrales Element der EBA-Leitlinien ist die verpflichtende Durchführung einer umfassenden Materialitätsbewertung von ESG-Risiken. Diese muss jährlich erfolgen (bei kleinen Instituten alle zwei Jahre) und einen Zeithorizont von mindestens zehn Jahren abdecken. Dabei sind kurzfristige (weniger als drei Jahre), mittelfristige (drei bis fünf Jahre) und langfristige (mindestens zehn Jahre) Zeiträume zu berücksichtigen. Die mehrschichtige Betrachtung trägt dem Umstand Rechnung, dass ESG-Risiken oft schleichend entstehen und ihre finanziellen Auswirkungen sich über unterschiedlich lange Zeiträume hinweg entfalten – von kurzfristigen Marktveränderungen bis hin zu langfristigen strukturellen Verschiebungen, wobei eine systematische ESG-Risikobewertung als methodisches Fundament dienen kann.

Die EBA-Leitlinien definieren dabei drei komplementäre methodische Ansätze zur Bewertung von ESG-Risiken:

  1. Exposurebasierter Ansatz: ESG-Faktoren müssen systematisch in Kreditentscheidungen und Risikoklassifikationen integriert werden. Institute sollen gezielt die Anfälligkeit („exposure“) der Aktivitäten und Schlüsselvermögenswerte ihrer Geschäftspartner gegenüber Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken bewerten und diese Risiken sowohl in interne Risikomodelle und Ratings als auch in die Bewertung von Sicherheiten („valuation of collateral“) einfließen lassen.

  2. Szenarienbasierter Ansatz: Institute sollen szenariobasierte Analysen einsetzen, um ihre Resilienz gegenüber ESG-Risiken – beginnend mit klimabezogenen Risiken – unter verschiedenen wissenschaftlich fundierten Szenarien zu testen.

  3. Portfoliobasierter Ansatz: Institute sollen sektor- und portfoliobasierte Methoden wie Heatmaps nutzen, um ESG-Risikokonzentrationen sichtbar zu machen und gezielt zu steuern. Sie bewerten die Auswirkungen ihrer Portfolios auf Klima- und Nachhaltigkeitsziele und prüfen die Ausrichtung an wissenschaftlich fundierten Klimapfaden. Die Ergebnisse fließen in Risikosteuerung, Strategie und Übergangsplanung ein.

Die Kombination dieser Methoden soll eine umfassende Bewertung von ESG-Risiken ermöglichen und alle wesentlichen Risikoarten, einschließlich Kredit-, Geschäftsmodell- und Konzentrationsrisiken, berücksichtigen.

Ein weiterer Kernaspekt der Leitlinien ist die vollständige Integration von ESG-Risiken in die bestehenden Risikomanagementprozesse. ESG-Risiken dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen in die Risikostrategie, die Risikolimitierung sowie die internen Prozesse zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit eingebettet werden. Im Rahmen des ICAAP, dem internen Prozess zur Beurteilung der Kapitaladäquanz, sind alle wesentlichen ESG-Risiken angemessen zu berücksichtigen. Im ILAAP, dem internen Prozess zur Beurteilung der Liquiditätsadäquanz, liegt der Fokus hingegen zunächst auf der Einbeziehung umweltbezogener (Environmental) Risiken. Zudem müssen Finanzinstitute klare kurz-, mittel- und langfristige Ziele zur Risikominimierung definieren, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber ESG-Risiken zu stärken (European Banking Authority, 2025).

 

Vor welche Herausforderungen werden die Finanzinstitue gestellt?

Die neuen EBA-Leitlinien stellen Banken vor erhebliche Herausforderungen bei der Integration von ESG-Risiken in ihre Geschäftsmodelle und Risikomanagementprozesse. Besonders anspruchsvoll ist die Entwicklung und Implementierung von Methoden zur Bewertung von ESG-Risiken über unterschiedliche Zeithorizonte hinweg. Finanzinstitute müssen ihre Dateninfrastruktur und analytischen Fähigkeiten weiterentwickeln, um die geforderten Materialitätsbewertungen durchführen zu können.

Ein zentrales Hindernis ist die hohe Komplexität der Erhebung, Standardisierung und Aggregation von ESG-Daten. Besonders herausfordernd ist die konsistente Messung von Emissionsdaten, etwa im Bereich der Scope-3-Emissionen und finanzierten Emissionen, die oft aus unterschiedlichen und schwer vergleichbaren Quellen stammen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bereiten sich Banken durch den Aufbau von ESG-Disclosure-Komitees, also unternehmensinternen Gremien zur Koordination und Freigabe von ESG-Offenlegungen, zentralen Datenmanagementstrukturen, Klimadaten-Mapping und Berichtsbereitschaftsprüfungen vor (KPMG, n.d.).

Eine weitere zentrale Herausforderung stellt die Durchführung von szenariobasierten Analysen dar. Banken müssen die Auswirkungen von ESG-Risiken, insbesondere klimabezogenen Risiken, über langfristige Zeiträume von mindestens zehn Jahren hinweg bewerten. Dafür fehlen häufig geeignete Modelle, belastbare Datengrundlagen und wissenschaftlich fundierte Szenarien. Zudem sind viele Institute traditionell auf kurzfristige Planungszyklen ausgerichtet, wodurch die Entwicklung belastbarer Langfristszenarien zusätzliche methodische und organisatorische Anpassungen erfordert.

Fazit

Die EBA-Leitlinien zum Management von ESG-Risiken stellen einen wichtigen Meilenstein in der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den europäischen Bankensektor dar. Mit ihrer verbindlichen Einführung ab 2026 (bzw. 2027 für kleinere Institute) schaffen sie einen einheitlichen Rahmen für das Management von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken und tragen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems gegenüber ESG-bezogenen Herausforderungen bei.

Die Leitlinien verdeutlichen, dass ESG-Risiken als integraler Bestandteil des Risikomanagements von Finanzinstituten betrachtet werden müssen und nicht als separates Themenfeld behandelt werden können. Ihr umfassender Ansatz, der sowohl klimabezogene als auch soziale und Governance-Aspekte umfasst, spiegelt die ganzheitliche Natur von Nachhaltigkeitsrisiken wider.

Für Banken bedeutet die Umsetzung der EBA-Leitlinien einen kontinuierlichen Prozess der Anpassung und Weiterentwicklung ihrer Risikomanagementpraktiken. Zu den größten Herausforderungen zählen der Aufbau robuster Dateninfrastrukturen, die konsistente Erhebung und Aggregation von ESG-Daten, die Durchführung langfristiger Szenarioanalysen sowie die vollständige Integration von ESG-Risiken in bestehende Risikosteuerungssysteme. Die Komplexität dieser Aufgaben erfordert Investitionen in Fachwissen, Prozesse und Technologien.

Angesichts dieser Anforderungen gewinnen automatisierte Berichtslösungen und KI-gestützte Plattformen zunehmend an Bedeutung. Sie können die Datenaggregation vereinfachen, die Genauigkeit der Berichterstattung verbessern und den manuellen Aufwand reduzieren. KI wird damit zu einem wichtigen strategischen Hebel, um ESG-Risiken effizient zu identifizieren, zu bewerten und zu steuern – und Banken bei der erfolgreichen Umsetzung der regulatorischen und unternehmerischen Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen.

 

Quellenverzeichnis

Europäische Kommission (n.d.). Corporate Sustainability Due Diligence. [Online] Verfügbar unter: Corporate sustainability due diligence [Zugriff am 18. Apr. 2025].

Europäische Kommission (n.d.). Corporate Sustainability Reporting. [Online] Verfügbar unter: Corporate sustainability reporting [Zugriff am 18. Apr. 2025].

Europäisches Parlament (2024). Richtlinie (EU) 2024/1619 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2024 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU hinsichtlich Aufsichtsbehörden, Sanktionen, Drittlandniederlassungen und ESG-Risiken. [Online] Verfügbar unter: Directive – EU – 2024/1619 – EN – EUR-Lex [Zugriff am 18. Apr. 2025].

European Banking Authority (2022). EBA Roadmap zu nachhaltiger Finanzierung. [PDF] Verfügbar unter: https://www.eba.europa.eu/sites/default/files/document_library/Publications/Reports/2022/ESG%20roadmap/1045378/EBA%20Roadmap%20on%20Sustainable%20Finance.pdf [Zugriff am 18. Apr. 2025].

European Banking Authority (2024). EBA konsultiert Leitlinien zum Management von ESG-Risiken. [Online] Verfügbar unter: The EBA consults on Guidelines on the management of ESG risks | European Banking Authority [Zugriff am 18. Apr. 2025].

European Banking Authority (2022). EBA veröffentlicht verbindliche Standards für Offenlegungen gemäß Säule 3 zu ESG-Risiken. [Online] Verfügbar unter: EBA publishes binding standards on Pillar 3 disclosures on ESG risks | European Banking Authority [Zugriff am 18. Apr. 2025].

European Banking Authority (2025). EBA veröffentlicht finale Leitlinien zum Management von ESG-Risiken. [Online] Verfügbar unter: The EBA publishes its final Guidelines on the management of ESG risks | European Banking Authority [Zugriff am 18. Apr. 2025].

European Banking Authority (2025). Finale Leitlinien zum Management von ESG-Risiken. [PDF] Verfügbar unter: https://www.eba.europa.eu/sites/default/files/2025-01/fb22982a-d69d-42cc-9d62-1023497ad58a/Final%20Guidelines%20on%20the%20management%20of%20ESG%20risks.pdf [Zugriff am 18. Apr. 2025].

KPMG (n.d.). Bankensektor setzt verstärkt auf ESG – Stärkung von Führung, Investitionen und Datenmanagement. [Online] Verfügbar unter: Banking and capital markets sector leans into ESG, bolstering leadership, investment and data management [Zugriff am 18. Apr. 2025].

CBAM – Was ist Carbon Border Adjustment Mechanism?

Inhaltsverzeichnis

 

Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist ein zentrales Instrument der EU-Klimapolitik, das entwickelt wurde, um Treibhausgasemissionen – im Folgenden der Einfachheit halber als CO₂ bezeichnet, wobei stets CO₂-Äquivalente gemeint sind – zu reduzieren und das Risiko des sogenannten Carbon Leakage zu minimieren (European Commission, n.d.).

Als Bestandteil des „Fit for 55“-Pakets, verfolgt dieses Instrument das Ziel, die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um mindestens 55 % im Vergleich zu 1990 zu senken (Council of the European Union, n.d.). Dieses Paket ist ein Kernelement des europäischen Green Deals, um bis 2050 Netto-Klimaneutralität zu erreichen (European Commission, n.d.). CBAM zielt darauf ab, CO₂-Emissionen bei der Herstellung bestimmter importierter Waren zu bepreisen, um sicherzustellen, dass die EU-Klimaziele nicht durch Importe aus Ländern mit weniger strengen Umweltvorschriften untergraben werden.

Durch CBAM wird für importierte Güter ein Preis erhoben, der dem innerhalb der EU geltenden Niveau entspricht. Dies erfolgt durch den Kauf von CBAM-Zertifikaten, deren Wert sich am durchschnittlichen Auktionspreis der EU-Emissionshandelszertifikate orientiert und die die bei der Herstellung der importierten Waren entstandenen CO₂-Emissionen abdecken (European Commission, 2025).

Vor diesem Hintergrund gewinnen fundierte Dekarbonisierungsstrategien zunehmend an Bedeutung. In unserem aktuellen Webinar “Dekarbonisierungsstrategien: Wege zur Optimierung Ihrer Treibhausgasbilanz” beleuchten wir Ansätze und Maßnahmen, wie Unternehmen ihre Emissionen entlang ihrer Wertschöpfungskette reduzieren und sich auf die neuen Anforderungen vorbereiten können.

Wieso gibt es CBAM?

Eine der größten Herausforderungen der EU-Klimapolitik ist das Carbon Leakage. Dieses tritt auf, wenn Unternehmen ihre Produktion in Länder außerhalb der EU verlagern, in denen die Klimaschutzanforderungen weniger streng sind, oder wenn importierte Produkte aus Ländern mit hohen CO₂-Emissionen die EU-Produkte ersetzen. Wie in der Abbildung zu sehen ist, gibt es klare Anreize, Emissionen zu verlagern, bedingt durch die teils erheblichen Unterschiede bei den CO₂-Preisen zwischen der EU und anderen Regionen. Dies führt nicht nur zu einem Anstieg der globalen Emissionen, sondern benachteiligt auch EU-Unternehmen, die striktere Umweltauflagen erfüllen müssen – insbesondere im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS), das verbindliche Emissionsobergrenzen und Kosten für den CO₂-Ausstoß vorsieht.

CO2 Preise rund um die Welt

Abbildung 1: Der CO2 Preis rund um die Welt; Quelle: Visual Capitalist (2024)

 

CBAM verfolgt daher zwei Hauptziele:

Globalen Klimaschutz fördern: Durch die Bepreisung von CO₂-Emissionen soll auch außerhalb der EU ein Anreiz entstehen, umweltfreundlichere Herstellungsmethoden zu entwickeln.

Wettbewerbsfähigkeit der EU schützen: Der Mechanismus gleicht die Bedingungen zwischen EU-Unternehmen und Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern an, um unfaire Wettbewerbsvorteile zu verhindern.

Wie funktioniert CBAM?

CBAM wird in zwei Phasen umgesetzt: einer Übergangsphase (2023–2025) und einer vollständigen Implementierungsphase ab Februar 2027.

Übergangsphase (1. Oktober 2023 – 31. Dezember 2025)

In der Übergangsphase sind Importeure verpflichtet, vierteljährliche Berichte über die direkten und indirekten CO₂-Emissionen ihrer importierten Waren einzureichen. Diese Berichte dienen dazu, die notwendigen Daten zu sammeln und die Methodik für die vollständige Implementierung zu optimieren. In dieser Phase müssen keine CBAM-Zertifikate gekauft werden.

Wichtige Anforderungen in der Übergangsphase sind:

  • Berichtspflichten: Importierte Waren müssen ab dem 01.08.2024 hinsichtlich ihrer direkten und indirekten Emissionen berechnet und dokumentiert werden.

  • Eingeschränkte methodische Flexibilität: Bis zum 01.08.2024 konnten Unternehmen zwischen verschiedenen Methoden zur Berechnung der Emissionen wählen. Ab dem 01.01.2025 ist eine vollständige Berichterstattung gemäß der Implementing Regulation (EU) 2023/1773 verpflichtend.

  • Registrierung im CBAM-Register: Importeure müssen sich bei der zuständigen nationalen Behörde registrieren. Sobald dies erfolgt ist, können sie sich hier in das CBAM-Register einloggen.

Vollständige Implementierung (ab 1. Februar 2027)

Ab 2027 tritt der Mechanismus in seiner endgültigen Form in Kraft. Unternehmen müssen dann nicht nur die Emissionen ihrer importierten Güter melden, sondern auch CBAM-Zertifikate kaufen und einreichen, um die eingebetteten Emissionen zu decken.

So funktioniert der Prozess in der Implementierungsphase:

  1. Berechnung der Emissionen: Unternehmen müssen die in den importierten Waren enthaltenen CO₂-Emissionen berechnen und von akkreditierten Prüfern bestätigen lassen, wofür sich insbesondere Lebenszyklusanalysen (LCA) und Product Carbon Foorptints (PCF) als geeignete Methode bewährt haben.

  2. Kauf von CBAM-Zertifikaten: Der Preis der Zertifikate basiert auf dem wöchentlichen Durchschnittspreis der EU-Emissionshandelszertifikate (EU ETS) und wird in €/Tonne CO₂ ausgedrückt.

  3. Jährliche Deklaration: Bis zum 31. Mai eines jeden Jahres (erstmalig 2028) müssen Importeure die Menge der importierten Waren des Vorjahres und die entsprechenden Emissionen melden und die benötigten Zertifikate einreichen.

  4. Anrechnung bereits gezahlter CO₂-Kosten: Hat ein Unternehmen bereits in einem Drittland einen CO₂-Preis gezahlt, kann dieser auf die Anzahl der benötigten CBAM-Zertifikate angerechnet werden. Liegt der gezahlte Betrag jedoch über dem in der EU fälligen Preis, wird die Differenz nicht erstattet.

Die Deutsche Emissionshandelstelle hat eine Übersicht über den Compliance Cycle erstellt.

Compliance-Cycle von CBAM

Abbildung 2: Compliance-Cycle; Quelle: DEHSt

Die vollständige Checkliste ist unter folgendem Link zu finden: https://www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/cbam/cbam-checkliste.html?nn=283486

Welche Rohstoffe und Materialien sind betroffen?

CBAM betrifft Importe von Materialien, deren Herstellung besonders CO₂-intensiv ist und die daher ein hohes Risiko für Carbon Leakage darstellen. In der Übergangsphase werden folgende Sektoren erfasst:

  • Eisen und Stahl

  • Zement

  • Aluminium

  • Düngemittel

  • Wasserstoff

  • Elektrizität

Zusätzlich werden auch bestimmte Vorprodukte und möglicherweise in Zukunft weitere Produkte einbezogen, sofern diese erhebliche Emissionen verursachen. Eine Überprüfung des Produktspektrums ist bis 2030 geplant (European Commission, 2025).

Welche Herausforderungen bringt CBAM für Unternehmen mit sich?

Obwohl der Mechanismus ein entscheidendes Instrument zur Bekämpfung von Carbon Leakage darstellt, gibt es auch Kritik. Viele kleine und mittelständische Unternehmen stehen vor der Herausforderung, komplexe Emissionsdaten erfassen und melden zu müssen, was mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Unternehmen keine ausreichende Transparenz über ihre Wertschöpfungsketten haben. Diese Intransparenz birgt ein erhebliches Risiko für die Einhaltung der CBAM-Vorgaben: So gaben 53 % der befragten Unternehmen an, dass sie nicht in der Lage sind, die tatsächlichen Emissionsdaten ihrer Lieferanten außerhalb der EU zu melden (Deloitte, 2025). Um die Belastung insbesondere für kleinere Akteure zu verringern, wird voraussichtlich eine Bagatellgrenze von 50 Tonnen pro Jahr für CBAM-pflichtige Importe eingeführt – eine Regelung, von der rund 90 % der Importeure profitieren und somit von den Vorgaben ausgenommen sein würden (IHK Region Stuttgart, n.d.). Allerdings erschwert die mangelnde Transparenz über Emissionen auch die Einschätzung, ob Unternehmen überhaupt unter diese Bagatellgrenze fallen und somit von einer Berichtspflicht befreit wären.

Des Weiteren stellt die kurze Vorbereitungszeit für viele Unternehmen eine erhebliche Herausforderung dar. Trotz der Übergangsphase bleibt der Zeitplan zur Umsetzung der Vorgaben streng, sodass Unternehmen oft Schwierigkeiten haben, ihre internen Prozesse rechtzeitig anzupassen.

Außerdem kann die Einführung insbesondere Handelspartner in Entwicklungs- und Schwellenländern vor große Herausforderungen stellen, da ihre Exporte in die EU durch höhere Kosten wirtschaftlich benachteiligt werden könnten – vor allem in Ländern mit weniger strengen Klimapolitiken. Zusätzlich sehen einige dieser Länder in dem Mechanismus eine potenzielle Handelsbarriere und äußern Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) (World Trade Organization, (n.d.)). Um diesen Auswirkungen entgegenzuwirken, hat die EU zugesagt, gezielte Unterstützung zu leisten: Neben technischer Hilfe zum besseren Verständnis und zur Umsetzung der CBAM-Anforderungen stellt die EU auch finanzielle Mittel bereit, um die betroffenen Länder beim Übergang zu grüneren Industrien und erneuerbaren Energien zu unterstützen (European Commission, 2025).

Fazit 

CBAM ist ein ambitioniertes Instrument der EU, das dazu beiträgt, die globalen CO₂-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig faire Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen zu schaffen. Unternehmen sollten die Übergangsphase nutzen, um sich auf die vollständige Implementierung vorzubereiten und die Berichtsanforderungen ab nächstem Jahr zu erfüllen. Trotz berechtigter Kritikpunkte stellt der Mechanismus einen wichtigen Schritt in Richtung der angestrebten Netto-Klimaneutralität im Rahmen des EU-Green Deals dar und dient gleichzeitig dem Schutz der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen – insbesondere in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.

Gleichzeitig eröffnet CBAM Unternehmen auch die Chance, ihre eigenen Klimastrategien frühzeitig weiterzuentwickeln und Transparenz entlang ihrer Lieferketten zu stärken. Wer die neuen Anforderungen strategisch angeht, kann nicht nur regulatorische Risiken minimieren, sondern sich auch als Vorreiter in einer zunehmend nachhaltig orientierten Wirtschaft positionieren. Frühzeitige Investitionen in Emissionsreduktionen und verlässliche Datenmanagementprozesse zahlen sich somit nicht nur im Hinblick auf Compliance aus, sondern tragen auch zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit bei.

 

Quellenverzeichnis

Council of the European Union (n.d.). Fit for 55. [Online] Verfügbar unter: https://www.consilium.europa.eu/en/policies/fit-for-55/ [Zugriff am: 17. April 2025].

Deloitte (2025). Deutsche Unternehmen können CBAM-Anforderungen kaum erfüllen. Verfügbar unter: https://www.deloitte.com/de/de/about/press-room/Deutsche-Unternehmen-k-nnen-CBAM-Anforderungen-kaum-erf-llen-.html (Zugriff am: 17. April 2025).

Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) (n.d.). CBAM-Checkliste. [Online] Verfügbar unter: https://www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/cbam/cbam-checkliste.html?nn=283486 [Zugriff am: 17. April 2025].

European Commission (2025). Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). [Online] Verfügbar unter: https://taxation-customs.ec.europa.eu/carbon-border-adjustment-mechanism_en [Zugriff am: 17. April 2025].

European Commission (n.d.). Carbon leakage – EU Emissions Trading System (EU ETS). [Online] Verfügbar unter: https://climate.ec.europa.eu/eu-action/eu-emissions-trading-system-eu-ets/free-allocation/carbon-leakage_en [Zugriff am: 17. April 2025].

European Commission (n.d.). The European Green Deal. [Online] Verfügbar unter: https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_en [Zugriff am: 17. April 2025].

IHK Region Stuttgart (n.d.). CBAM: Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus. [Online] Verfügbar unter: https://www.ihk.de/stuttgart/fuer-unternehmen/international/import-export/import/cbam-5761850 [Zugriff am: 17. April 2025].

Visual Capitalist (2024). The Price of Carbon Around the World in 2024. [Online] Verfügbar unter: https://www.visualcapitalist.com/sp/visualized-the-price-of-carbon-around-the-world-in-2024/ [Zugriff am: 17. April 2025].

World Trade Organization (WTO) (n.d.). What is the WTO?. [Online] Verfügbar unter: https://www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/tif_e/fact2_e.htm [Zugriff am: 17. April 2025].

Ziegler Group (2024) Der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM): Ein Leitfaden für Unternehmen. Teil 2. Verfügbar unter: https://www.zieglergroup.com/der-co2-grenzausgleichsmechanismus-cbam-ein-leitfaden-fuer-unternehmen-teil-2/ [Zugriff am: 17. April 2025].

EU ETS – Was ist das European Union Emissions Trading System?

Inhaltsverzeichnis

Während mit dem neuen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ab 2026 auch Importe in die EU mit einem CO₂-Preis belegt werden sollen, rückt erneut das Herzstück der europäischen Klimapolitik in den Fokus: das European Union Emissions Trading System (EU ETS).

Das 2005 eingeführte System markierte einen Meilenstein in der europäischen Klimapolitik. Es war das erste grenzüberschreitende Emissionshandelssystem weltweit und fungiert bis heute als Vorreiter für ähnliche Systeme in anderen Regionen der Welt. Neben den 27 EU-Mitgliedstaaten beteiligen sich auch Norwegen, Island und Liechtenstein am EU-Emissionshandel – mit erfolgreicher Wirkung: Seit Beginn des Emissionshandels sind die Treibhausgas-Emissionen in den erfassten Sektoren europaweit um rund 48 Prozent gesunken (Statista, 2024).

Mit dem EU ETS setzt Europa auf ein Instrument, das marktwirtschaftliche Effizienz mit klimapolitischer Zielstrebigkeit vereinen soll. Der Preis für CO₂ wird dabei zum zentralen Signal für Unternehmen, in klimafreundliche Technologien zu investieren und Emissionen dort zu senken, wo es wirtschaftlich am sinnvollsten ist.

Wie funktioniert das EU ETS?

Das EU ETS basiert auf einem einfachen, aber wirkungsvollen Prinzip: Es wird eine Obergrenze (Cap) für die Gesamtmenge an Treibhausgasen festgelegt, die bestimmte Sektoren innerhalb der EU ausstoßen dürfen. Diese Obergrenze wird Jahr für Jahr gesenkt, um die Emissionen schrittweise zu reduzieren und bis 2050 das Ziel der Netto-Klimaneutralität zu erreichen.

Gesamtkapazität der Emissionen im EU ETS

(Umweltbundesamt, 2025)

Das Handelssystem funktioniert nach dem “Cap-and-Trade“-Prinzip: Unternehmen erhalten oder erwerben Emissionszertifikate, wobei jedes Zertifikat zur Emission einer Tonne CO₂-Äquivalent berechtigt. Durch den Handel dieser Zertifikate entsteht ein Marktpreis für CO₂-Emissionen. Dadurch entsteht ein ökonomischer Anreiz, Emissionen dort zu reduzieren, wo dies am kostengünstigsten ist – sei es durch effizientere Prozesse oder Investitionen in klimafreundliche Technologien.

Unternehmen in den erfassten Sektoren sind verpflichtet, jährlich für jede ausgestoßene Tonne CO₂ ein entsprechendes Emissionszertifikat vorzuhalten. Können sie diese Nachweise nicht erbringen, drohen Geldstrafen von 100€ pro Tonne überschüssiger CO2-Emissionen, sowie eine Nachweispflicht, die belegt, dass die fehlenden Zertifikate nachträglich erworben und abgegeben wurden. Zusätzlich müssen die Unternehmen jedes Jahr bis spätestens 31. März einen von einem akkreditierten Prüfer verifizierten Emissionsbericht für das vorangegangene Kalenderjahr bei der zuständigen Behörde einreichen (European Commission, n.d.).

In der EU spielt die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Deutschland eine zentrale Rolle im Handel mit CO₂-Emissionszertifikaten. An der EEX finden sowohl Primärmarktauktionen statt, bei denen Zertifikate in Auktionen versteigert werden, als auch der Handel auf dem Sekundärmarkt, auf dem bereits ausgegebene Zertifikate zwischen Marktteilnehmern gehandelt werden. Ein weiterer bedeutender europäischer Handelsplatz ist die Intercontinental Exchange (ICE) in London. Dort wird unter anderem das UK Emissions Trading Scheme (UK ETS) abgewickelt – das eigenständige Emissionshandelssystem des Vereinigten Königreichs, das nach dem Brexit als Pendant zum EU ETS eingeführt wurde (UK Government, 2025).

Wie hat sich das EU ETS entwickelt?

Seit seiner Einführung hat das System mehrere Handelsperioden durchlaufen, in denen verschiedene Reformen umgesetzt wurden, um seine Effektivität zu verbessern. Anfangs war das System von niedrigen CO₂-Preisen geprägt, was seine Wirksamkeit einschränkte. Durch politische Reformen konnte jedoch seit 2018 ein deutlicher Preisanstieg bei den Zertifikaten erreicht werden, der die Steuerungsfunktion deutlich erhöht hat.

Preisentwicklung für Emissionsberechtigungen im EU ETS

(Umweltbundesamt, 2025)

Das EU ETS umfasst derzeit etwa 45 % der gesamten Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union. Es deckt mehr als 9.000 Kraftwerke und Industrieanlagen in den EU-Mitgliedstaaten sowie in Island, Norwegen und Liechtenstein ab. Zu den vom EU ETS erfassten Sektoren gehören die Energie- und Wärmeerzeugung, energieintensive Industrien wie die Stahl-, Zement- und chemische Industrie, die Luft- und Schifffahrt sowie die Produktion spezifischer Gase wie Distickstoffoxid (Deutsche Emissionshandelsstelle, 2024).

Die umfassendste Reform erfolgte im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets, das im Juni 2023 in Kraft trat (Council of the European Union, 2023). Ziel ist es, die Emissionen bis 2030 um 62 % gegenüber dem Niveau von 2005 zu senken – zuvor lag das Ziel bei 43 %. Die Reform verschärft nicht nur die jährliche Emissionsobergrenze, sondern erweitert den Anwendungsbereich des Systems deutlich, unter anderem durch die Einführung eines zweiten Emissionshandelssystems (ETS II), das ab 2027 auch den Gebäude- und Verkehrssektor abdecken soll. Damit werden künftig rund 85 % aller CO₂-Emissionen in der EU vom Emissionshandel erfasst (European Commission, n.d.).

In Deutschland ist das angepasste Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG-Europarechtsanpassungsgesetz) am 6. März 2025 in Kraft getreten und schafft den rechtlichen Rahmen für die nationale Umsetzungen der Reformen (Bundesministerium der Justiz, 2025).

Welche Wirkung hat es bisher entfaltet?

Die Wirksamkeit des EU-Emissionshandelssystems war aufgrund niedriger Preise für Emissionszertifikate lange Zeit umstritten. Durch die politischen Reformen der letzten Jahre hat der Preis der Zertifikate jedoch zugelegt und befindet sich aktuell bei einem Preis von 67€ (boerse.de, n.d., Zugriff: 15.04.2025), was die Lenkungswirkung des Systems deutlich verstärkt hat.

Ein Blick auf die CO₂-Preise in anderen Ländern zeigt, wie unterschiedlich stark der Markt klimafreundliches Verhalten weltweit belohnt:

carbon price world bank 1

(Visual Capitalist, 2024)

Neben den Preisen spielt auch die Größe eines Emissionshandelssystems eine wichtige Rolle. Im internationalen Vergleich hat sich das EU ETS als das zweitgrößte System weltweit etabliert – direkt hinter dem chinesischen.

  1. China National ETS (China) – Das größte Emissionshandelssystem weltweit, gestartet 2021, deckt ca. 5.000 Megatonnen CO₂ ab, hauptsächlich aus dem Energiesektor.

  2. EU Emissions Trading System (EU-ETS) (EU) – Seit 2005 aktiv, umfasst Energie, Industrie und Luftverkehr mit einem Cap von etwa 1.386 Megatonnen CO₂ für Energie und Industrie.

  3. Korea Emissions Trading Scheme (Korea ETS) (Südkorea) – Gestartet 2015, deckt ca. 567 Megatonnen CO₂ ab, umfasst Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr und Luftverkehr.

(ICAP, n.d., Zugriff: 15.04.2025)

Untersuchungen zeigen, dass das EU ETS ein effektives Instrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ist. Die Emissionen in den vom Emissionshandel erfassten Industrie- und Energiesektoren sind seit der Einführung um 48% gesunken, was auf die grundsätzliche Wirksamkeit des Systems hinweist (Statista, 2024). Doch neben diesem Erfolg gibt es stets Herausforderungen die mit dem EU ETS einhergehen.

Welche Schwächen und Herausforderungen bestehen?

Trotz messbarer Fortschritte steht das EU ETS vor einer Reihe von strukturellen und politischen Herausforderungen. Eine der größten ist die sogenannte Carbon Leakage – die Verlagerung von CO₂-intensiver Produktion in Nicht-EU-Staaten mit weniger strengen Klimaauflagen (European Commission, n.d.).

Um diesem Problem entgegenzuwirken, haben sich die EU-Mitgliedstaaten darauf verständigt, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine zentrale Maßnahme ist der CBAM, ein CO₂-Grenzausgleichssystem, das Importe bestimmter emissionsintensiver Güter an die Bedingungen des EU ETS anpasst. Ziel ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, Klimaschutzanreize auf globaler Ebene zu stärken und einen fairen CO₂-Preis auch für eingeführte Produkte sicherzustellen (European Commission, 2025).

Ein weiterer Kritikpunkt ist der erhöhte Verwaltungsaufwand, der durch die umfangreichen Berichtspflichten und die komplexen regulatorischen Anforderungen entsteht. Besonders für kleinere Unternehmen kann dies eine erhebliche Belastung darstellen. Durch die Anpassung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im Rahmen des Omnibus-Gesetzes wird diese Herausforderung jedoch teilweise entschärft, da gewisse Berichtspflichten klarer gefasst und besser abgestimmt wurden.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, das System kontinuierlich an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und sich verändernde wirtschaftliche Bedingungen anzupassen. Die regelmäßigen Reformen des Systems sind jedoch ein Beleg für diese kontinuierliche Weiterentwicklung.

Wohin geht die Reise?

In Zukunft wird das EU ETS eine noch zentralere Rolle in der europäischen Klimapolitik spielen, da immer mehr Sektoren einbezogen werden und die Emissionsobergrenze weiter sinkt. Eine zentrale Änderung betrifft zudem die Abschaffung kostenloser Emissionszertifikate: Zwischen 2026 und 2034 wird diese schrittweise erfolgen; im Luftverkehr endet die kostenlose Zuteilung bereits 2026. Das langfristige Ziel ist klar: Bis 2050 sollen die durch das EU ETS regulierten Emissionen auf Null reduziert werden, um zur Netto-Klimaneutralität der EU beizutragen. Ergänzend dazu wird ab 2027 das neue EU ETS 2 in Kraft treten, das Emissionen aus dem Gebäude- und Verkehrssektor sowie kleineren Industriebranchen erfasst. Ein Teil der Einnahmen fließt in den Sozialen Klimafonds, um einkommensschwächere Haushalte zu unterstützen (European Comission, n.d.).

Flankierend führt die EU ab 2026 den CBAM ein – ein CO₂-Grenzausgleichssystem für Importe emissionsintensiver Güter wie Stahl, Zement oder Aluminium. Damit soll sichergestellt werden, dass für importierte Produkte ein vergleichbarer CO₂-Preis gilt wie für in der EU hergestellte Waren – und so Wettbewerbsverzerrungen sowie Carbon Leakage verhindert werden. Während der Übergangsphase bis 2025 sind Importeure zur reinen Emissionsberichterstattung verpflichtet; ab 2026 müssen sie entsprechende CBAM-Zertifikate erwerben und abgeben (European Comission, 2025).

Fazit

Das EU-Emissionshandelssystem ist ein innovatives und zunehmend wirksames Instrument der europäischen Klimapolitik. Es verbindet ökologische Zielsetzungen mit marktwirtschaftlichen Mechanismen, indem es durch eine sinkende Obergrenze und handelbare Emissionszertifikate klare Anreize zur Emissionsminderung schafft. Unternehmen reagieren – und der CO₂-Ausstoß sinkt dort, wo es ökonomisch am effizientesten ist.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems zeigt, dass die EU lernfähig und anpassungsbereit ist: Mit Reformen wie „Fit for 55“ und der Ausweitung auf weitere Sektoren wird das EU ETS Schritt für Schritt zu einem umfassenden, sektorübergreifenden Klimainstrument ausgebaut. Als ältestes und zweitgrößtes Emissionshandelssystem weltweit dient es bereits heute als Vorbild für andere Regionen und könnte langfristig die Basis für eine globale CO₂-Bepreisung bilden.

Das EU ETS zeigt: Wenn politische Rahmenbedingungen klar gesetzt sind und der Preis stimmt, kann der Markt zu einem wirksamen Hebel für den Klimaschutz werden. Er ist kein Allheilmittel – aber ein zentraler Baustein auf dem Weg zur Netto-Klimaneutralität.

 

Quellenverzeichnis

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Bundesministerium der Justiz (2025). Verordnung zur Durchführung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Bundesgesetzblatt, Teil I Nr. 70. [Online] Available at: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2025/70/VO.html [Accessed 15 Apr. 2025].

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Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) (2024). EU-ETS 1 verstehen. [Online] Available at: https://www.dehst.de/DE/Themen/EU-ETS-1/EU-ETS-1-Informationen/EU-ETS-1-verstehen/eu-ets-1-verstehen_node.html [Accessed 15 Apr. 2025].

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Umweltbundesamt (2025). Der Europäische Emissionshandel. [Online] Available at: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/der-europaeische-emissionshandel [Accessed 15 Apr. 2025].

Visual Capitalist (2024). The Price of Carbon Around the World in 2024. [Online] Available at: https://www.visualcapitalist.com/sp/visualized-the-price-of-carbon-around-the-world-in-2024/ [Accessed 15 Apr. 2025].

Unternehmerische CO₂-Emissionen: Die CO₂-Bilanzierung als Herzstück des Nachhaltigkeitsreportings nach DNK, GRI und ESRS

Inhalt

  1. Rückblick auf ersten Artikel
  2. TL;DR
  3. Einführung
  4. Die CSRD, das Pariser Klimaabkommen und die Reduzierung von Emissionen
  5. Der DNK: Der einfache Einstieg ins Nachhaltigkeitsreporting
  6. Die GRI-Standards: Das modulare System zur Berichterstattung
  7. Die ESRS: Das erste EU-Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
  8. Der Corporate Carbon Footprint als elementarer Baustein der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Startpunkt des Nachhaltigkeitsmanagements
  9. Ausblick auf den nächsten Artikel

Zusammenfassung des vorangegangenen Artikels über die Nachhaltigkeitsberichterstattung & CSRD

  • Der fehlende Durchblick im ‘Dschungel’ der Nachhaltigkeitsberichterstattung und verschiedenen Richtlinien und Rahmenwerken stellt für viele Unternehmen eine Herausforderung dar.
  • Ab dem Jahr 2024 gilt in der EU die Corporate Social Responsibility Directive – nach dieser Richtlinie müssen in Deutschland künftig 15.000 statt den bisherigen 500 Unternehmen berichten.
  • Der Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung lässt sich in Richtlinien (rechtliche Vorgaben) und Rahmenwerke (Berichtsinhalte) unterteilen.
  • Diese Richtlinien und Rahmenwerke adressieren die Bereiche der Nachhaltigkeit entweder ganzheitlich, bezugnehmend auf die Drei Nachhaltigkeitsdimensionen (Environmental / Umwelt, Social / Sozial, Governance / Unternehmerische und politische Führung), oder spezifisch (mindestens eine der Drei Dimensionen).
  • Unter den im Artikel aufgeführten Gegebenheiten können die GRI-Standards und der DNK für die Erfüllung kommender rechtlicher Regelungen empfohlen werden.

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TL;DR

  • Das Pariser Abkommen muss eingehalten & Treibhausgas-Emissionen müssen in allen Sektoren und Unternehmen reduziert werden.
  • CSR Reporting Richtlinien sind komplex – was muss bzgl. Treibhausgas-Emissionen berichtet werden?
  • Ein Corporate Carbon Footprint (CCF) zahlt sowohl auf GRI, DNK als auch ESRS ein – die 3 wichtigsten Reporting Frameworks – und dient gleichzeitig als Grundlage für die Entwicklung einer Dekarbonisierungsstrategie.

Einführung

Durch den Beschluss der CSRD kommen umfangreiche Änderungen im Berichtswesen auf Unternehmen in der gesamten EU zu. Im Fazit des ersten Artikels der Blog-Reihe wurde festgestellt, dass für die Erfüllung der von der CSRD vorgegebenen Pflichten je nach Unternehmen neben den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) voraussichtlich auch die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) und des Deutschen Nachhaltigkeitskodexes (DNK) genutzt werden können. In diesem Artikel wird auf den Aufbau, die Anwendung und die Anforderungen im ökologischen Bereich des Klimaschutzes dieser drei Rahmenwerke eingegangen und schließlich gezeigt, inwiefern ein Corporate Carbon Footprint zur Erfüllung der Standards beitragen kann.

Was ist ein Corporate Carbon Footprint (CO2-Bilanz von Unternehmen)?

Ein Corporate Carbon Footprint (CCF), auch unternehmerische CO2-Bilanz genannt, ist eine Bilanzierung der CO2-Emissionen eines Unternehmens und dessen Wertschöpfungskette. Im Allgemeinen spricht man von CO2-Emissionen, wenn in der Tat die Auswirkungen aller Treibhausgasemissionen auf das globale Klima gemeint sind. Diese Emissionen entstehen durch geschäftsbedingte Aktivitäten (z.B. Produktionsprozesse oder Geschäftsreisen). Die Emissionen werden in sogenannte Scopes unterteilt. Diese Scopes umfassen die direkten und indirekten CO2-Emissionen.

  • Scope 1 umfasst CO2-Emissionen aus Quellen, die direkt von einem Unternehmen verantwortet oder kontrolliert werden (z.B. Emissionen durch Spritverbrauch des Fuhrparks).
  • Scope 2 umfasst CO2-Emissionen, die durch den Verbrauch zugekaufter Energien entstehen (z.B. Strom).
  • Scope 3 umfasst alle CO2-Emissionen entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette (z.B. Vertriebslogistik).

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Die CSRD, das Pariser Klimaabkommen und die Reduzierung von Emissionen

In Anbetracht des Klimawandels und des Pariser Abkommens ist die Reduzierung der Emissionen eine der größten Herausforderungen und kritischsten Umweltfragen, denen sich unsere Gesellschaft und Wirtschaft gegenwärtig stellen muss. Die Corporate Social Responsibility Directive (CSRD), die ab 2024 in Kraft tritt, ist ein entscheidender Baustein, um die Bewältigung dieser Herausforderung in Gang zu setzen und zudem die Transformation hin zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft voranzutreiben. Im letzten Blog-Artikel wurde ein Überblick darüber gegeben, welche Änderungen die CSRD zur Folge haben wird und es wurden verschiedene Rahmenwerke vorgestellt, die zur Erfüllung dieser gesetzlichen Anforderungen genutzt werden können.

In diesem Artikel werden die im letzten Artikel empfohlenen Rahmenwerke näher beleuchtet und insbesondere auf ihre Ansprüche in den Bereichen

  1. Ökologie und
  2. Klimaschutz

eingegangen. Somit soll einerseits die Frage beantwortet werden, welchen Beitrag Unternehmen durch eine Berichterstattung nach den entsprechenden Rahmenwerken zu den Klimaschutzzielen Deutschlands und somit zur Erreichung des Pariser Klimaabkommen beitragen können. Andererseits soll über die Ansprüche des DNKs, der GRI-Standards und der ESRS im Bereich ökologischer Nachhaltigkeit aufgeklärt werden.

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Der DNK: Der einfache Einstieg ins Nachhaltigkeitsreporting

Im letzten Blog-Artikel wurde festgehalten, dass der DNK aufgrund seines geringen Umfangs und der einfachen Umsetzung insbesondere für KMUs empfehlenswert ist. Der DNK enthält 20 Kriterien, die in vier Kategorien aufgeteilt sind: Strategie, Prozessmanagement, Umweltbelange & Gesellschaft. Für jedes dieser Kriterien werden bis zu sechs Aspekte aufgeführt, die vorgeben worüber, in welchem Umfang und ggf. mit welchen Leistungsindikatoren in der DNK-Erklärung des Unternehmens berichtet werden soll. In der DNK-Datenbank werden diese Daten gesammelt und veröffentlicht. Mit verschiedenen Filtermöglichkeiten können hier die Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen zu jedem Kriterium verglichen werden.

Die Kategorie Umweltbelange unterteilt sich in folgende Kriterien (DNK, 2022):

  • „11. Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen“
  • „12. Ressourcenmanagement“
  • „13. Klimarelevante Emissionen“

Die Klimarelevanten Emissionen müssen nach dem Greenhouse Gas Protocol oder darauf basierenden Standards offengelegt und Reduktionsziele angegeben werden (DNK, 2022). Mit einem Corporate Carbon Footprint und einer Dekarbonisierungsstrategie können alle Ansprüche des 13. DNK-Kriteriums erfüllt werden. 

Die GRI-Standards: Das modulare System zur Berichterstattung

Das Rahmenwerk der GRI ist ein modulares System miteinander verbundener Standards. Drei universelle Standards (GRI 101 Foundation, GRI 102 General Disclosures und GRI 103 Management Approach) legen allgemeine Voraussetzungen, Prinzipien und Angaben fest. Die themenspezifischen Standards orientieren sich an den drei Nachhaltigkeitsdimensionen: ökonomisch (GRI 201 – GRI 207), ökologisch (GRI 301 – GRI 308) und sozial (GRI 401 – GRI 419). Um die Qualität, Einheitlichkeit und Vollständigkeit von Berichten zu verbessern werden aktuell als vierte Kategorie sektorspezifische Standards für 40 verschiedene Sektoren entwickelt. Für Öl und Gas (GRI 11), Kohle (GRI 12) sowie Landwirtschaft, Aquakultur und Fischerei (GRI 13) wurden diese bereits veröffentlicht.

Die Standards im Bereich Ökologie sind folgendermaßen unterteilt (GRI, 2022):

  • „GRI 301 Materialien“
  • „GRI 302 Energie“
  • „GRI 303 Wasser und Abwasser“
  • „GRI 304 Biodiversität“
  • „GRI 305 Emissionen“
  • „GRI 306 Abfall“
  • „GRI 307 Umwelt-Compliance“
  • „GRI 308 Umweltbewertung der Lieferanten“

Zu beachten gilt, dass die GRI-Standards sowohl ganzheitlich als auch nur für bestimmte Berichtsinhalte verwendet werden können. Die Pflichtanforderungen des Standards „GRI 305 Emissionen“ basieren auf den Vorgaben des Greenhouse Gas Protocol und können somit durch die Erstellung eines Corporate Carbon Footprints erfüllt werden (GRI, 2016). Zusätzlich zu diesen Vorgaben verlangt der Standard Angaben zu Emissionen Ozon abbauender Substanzen, „Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden und anderen signifikanten Luftemissionen“ sowie zur Senkung der THG-Emissionen. Zugleich können jedoch viele der im Zuge der Erstellung eines Corporate Carbon Footprints (CCF) erhobenen Daten für die Berichterstattung des Moduls „GRI 302 Energie“ genutzt werden.

Die ESRS: Das erste EU-Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Zu den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) wurden am 29. April 2022 die Draft Standards veröffentlicht. Die erarbeiteten 116 Offenlegungsverpflichtungen (davon 69 quantitativ und 47 narrativ) wurden im engen Austausch mit Experten verschiedenster Institutionen in der EU, darunter das ISSB, SASB, die ESMA und insbesondere unter Einbeziehung der GRI-Standards und der SFDR-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation) erarbeitet. Nach einem 100-tägigen, öffentlichen Konsultationsprozess sollen die ESRS nun überarbeitet und in den kommenden Wochen fertiggestellt werden.

Ähnlich zu den universellen Standards der GRI, beinhalten die ESRS „Cross Cutting Standards“, in denen generelle Prinzipien, Anforderungen und Bestimmungen definiert werden. Zudem sollen in Zukunft ebenfalls analog zu den GRI-Standards „Sector specific standards“ entwickelt werden. Eine Neuheit werden die noch zu entwickelnden „SMEs proportionate standards“ sein, die speziell auf KMUs zugeschnitten sein sollen.

Den Kern des Standards bilden die drei Kategorien Environment, Social und Governance. Environment ist in folgende Standards aufgeteilt (EFRAG, 2022):

  • „ESRS E1 Climate Change“
  • „ESRS E2 Pollution“
  • „ESRS E3 Water & marine resources”
  • „ESRS E4 Biodiversity & ecosystems“
  • „ESRS E5 Resource use and circular economy“

Die Richtlinie “ESRS E1 Climate Change” setzt voraus, dass alle Berechnungen von Treibhausgasemissionen nach den „Prinzipien und Voraussetzungen des GHG Protocol Corporate Standard (2004) und GRI 305 (2016)“ erfolgen sollen (EFRAG, 2022).

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Der Corporate Carbon Footprint als elementarer Baustein der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Startpunkt des Nachhaltigkeitsmanagements

Ein Corporate Carbon Footprint, der auf der Grundlage des GHG Protocol berechnet wird, ist folglich elementarer Bestandteil jedes der vorgestellten Rahmenwerke. Als Herzstück und Ausgangspunkt des Klimamanagements eines Unternehmens, lässt sich der Mehrwert eines Corporate Carbon Footprints in drei Punkten zusammenfassen:

Nach den obigen Ausführungen erfüllt ein CCF nicht nur die Anforderungen wichtiger Reporting-Rahmenwerke, sondern gemäß ESRS E1 auch die gesetzlichen Anforderungen der CSRD. Die im Zug der Erstellung des CCFs erhobenen und berechneten Daten erzeugen darüber hinaus einen erheblichen Mehrwert für andere Bereiche des Nachhaltigkeitsmanagement eines Unternehmens. So bieten beispielsweise erhobene Transportinformationen eine wichtige Grundlage für Lieferkettentransparenz, Ressourcenverbräuche können für Analysen der Ressourceneffizienz und Kreislauffähigkeit (ESRS E5) genutzt werden und Emissionsdaten dienen als Basis zur Reduzierung von Luftverschmutzung (ESRS E2).

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Ausblick auf den nächsten Artikel

Auf Basis der Feststellung, dass ein Corporate Carbon Footprint das Herzstück und der Ausgangspunkt der Klimastrategie eines Unternehmens ist, wird im nächsten Artikel Schritt für Schritt erläutert, wie ein CCF erhoben wird und nach welchen Standards dies erfolgen muss. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie Procycons gemeinsam mit Unternehmen den Weg zur Treibhausgasneutralität ebnet und somit einen Beitrag zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens und der Klimaschutzziele Deutschlands geleistet werden kann.

Quellen